Normeneinteilung nach EN ISO 12100

Das Kapitel „Einleitung“ zur harmonisierten Norm EN ISO 12100 enthält diese Information:

Der Hauptzweck dieser Internationalen Norm besteht darin, Konstrukteuren einen Gesamtüberblick und eine Anleitung für während der Entwicklung von Maschinen zu treffende Entscheidungen zu geben, um diesen die Konstruktion von Maschinen zu ermöglichen, die für ihre bestimmungsgemäße Verwendung sicher sind.

Darüber hinaus stellt die Norm eine Strategie für die Normensetzer zur Verfügung und dient als Hilfestellung bei der Erarbeitung geeigneter und miteinander abgestimmter Typ-B- und Typ-C-Normen.

Entsprechend EN ISO 12100 wird die Normen zum Thema „Sicherheit von Maschinen“ nach diesen Typen strukturiert:

  • Typ-A-Normen (Sicherheitsgrundnormen) behandeln Grundbegriffe, Gestaltungsleitsätze und allgemeine Aspekte, die auf Maschinen angewandt werden können;
  • Typ-B-Normen (Sicherheitsfachgrundnormen) behandeln einen Sicherheitsaspekt oder eine Art von Schutzeinrichtungen, die für eine ganze Reihe von Maschinen verwendet werden können:
    • Typ-B1-Normen für bestimmte Sicherheitsaspekte (z. B. Sicherheitsabstände, Oberflächentemperatur, Lärm);
    • Typ-B2-Normen für Schutzeinrichtungen (z. B. Zweihandschaltungen, Verriegelungseinrichtungen, druckempfindliche Schutzeinrichtungen, trennende Schutzeinrichtungen);
  • Typ-C-Normen (Maschinensicherheitsnormen) behandeln detaillierte Sicherheitsanforderungen an eine bestimmte Maschine oder Gruppe von Maschinen.

ACHTUNG! Wenn eine Typ-C-Norm von einer oder mehrerer Festlegungen abweicht, die in EN ISO 12100 oder in einer Typ-B-Norm behandelt werden, dann hat die Typ-C-Norm Vorrang. Dies kann für Ihre Maschine bedeuten: selbst wenn sie der A- oder B-Norm entspricht, sind die Anforderungen der Maschinenrichtlinie ggf. NICHT erfüllt!!

Gesamtübersicht: Welche Gesetze und Richtlinien sind zusätzlich bzw. anstatt der Maschinenrichtlinie anzuwenden?

Antwort:

Diese Frage beantwortet auch, welche gesetzlichen Bestimmungen für das Inverkehrbringen von Produkten  gelten, wenn keine EU-Richtlinien zur Anwendung kommen, die eine CE-Kennzeichnung erfordern.  Zur Übersicht dient dieses Ablaufdiagramm:

Startpunkt der Betrachtung ist die Entscheidungsraute “Maschine od. unvollständige Maschine”. Damit wird geklärt, ob ein Produkt ein “Erzeugnis” im Sinne der Maschinenrichtlinie ist und nicht in deren Ausnahmen fällt. Ist dies der Fall, kommt die Maschinenrichtlinie zur Anwendung, ggf. aber auch noch weitere EG-Richtlinien.

Für den Fall, dass es sich bei einem bestimmten Produkt nicht um eine Maschine oder unvollständige Maschine handelt, kommen ggf. andere EU-Richtlinien zur Anwendung, wie z.B. die Niederspannungs- ATEX-, EMV- oder/und Druckgeräterichtlinie, sofern sich diese nicht gegenseitig ausschließen, wie z.B. Maschinenrichtlinie und Niederspannungsrichtlinie.

Nach Anwendung der einschlägigen Richtlinien, die spezielle Gefährdungen bzw. Produktgruppen abdecken, muss geklärt werden, ob es sich beim Produkt (z.B. Maschine) um ein Verbraucherprodukt handelt. Ist dies der Fall kommt die EG-Produktsicherheitsrichtlinie zusätzlich zu den vorher genannten Richtlinien zur Anwendung (umgesetzt in Deutschland im ProdSG und in Österreich im PSG).

Handelt es sich nicht um ein Verbraucherprodukt, besteht kein weiteres öffentlich-rechtliches Inverkehrbringensrecht.

Immer – egal also ob spezielle EG-Richtlinien anwendbar sind und egal ob Verbraucherprodukt oder nicht – gelten bei Inverkehrbringen von Produkten zivilrechtliche Pflichten. Gemeint ist das Produkthaftungsrecht – bestehend aus allgemeinen Verkehrssicherungspflichten (in Deutschland § 823 BGB und Österreich §§ 1295 ff. ABGB) und den Umsetzungen der EG-Produkthaftungsrichtlinie (Deutschland: ProdHaftG, Österreich: PHG).

Kann auf eine Maschine die Produktsicherheitsrichtlinie (2001/95/EG) zusätzlich zur Maschinenrichtlinie zur Anwendung kommen?

Antwort:

Ja, die EG-Harmonisierungsrichtlinien – wie die Link zu Originaldokument im PDF Maschinenrichtlinie – sind nicht abschließend. Wenn eine Maschine für Verbraucher bestimmt ist oder unter vernünftigerweise voraussehbaren Bedingungen von ihnen benutzt werden kann, fallt sie auch unter die Link zu Originaldokument im PDF allgemeine Produktsicherheitsrichtlinie – 2001/95/EG.

Diese Richtlinie ist sozusagen ein Dach für alle Verbraucherprodukte über allen speziellen gefährdungs- oder produktbezogenen Richtlinien und gilt nicht nur dann, wenn Spezialvorschriften mit Produktanforderungen fehlen. Das stellt auch die  Europäische Kommission in § 101 des Link zu Originaldokument im PDF Leitfadens zur Anwendung der Maschinenrichtlinie klar:

Zusätzlich zu den Bestimmungen der Maschinenrichtlinie und Verordnung über die Vorschriften für die Akkreditierung und Marktüberwachung im Zusammenhang mit der Vermarktung von Produkten finden bestimmte spezielle Bestimmungen der Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit auf Maschinen Anwendung, die zur Verwendung durch Verbraucher bestimmt sind oder wahrscheinlich von diesen verwendet werden, soweit die Maschinenrichtlinie oder die Verordnung keine entsprechenden Bestimmungen enthalten (…)

Es ist also immer zu prüfen, ob bei „Verbrauchermaschinen“ zusätzliche Anforderungen zu den konkreten Vorschriften in der Maschinenrichtlinie erforderlich sind, um ausreichende Sicherheit zu erreichen. Das ist etwa insbesondere im Bereich der Instruktionen und Warnungen möglich, wenn die Maschine durch Laien bedient wird bzw. werden kann.

In welchen Sprachen muss die Betriebsanleitung für Maschinen geliefert werden?

Link zu Originaldokument im PDF Maschinenrichtlinie 2006/42/EG, Anhang I, 1.7.4:

Jeder Maschine muss eine Betriebsanleitung in der oder den Amtssprachen der Gemeinschaft des Mitgliedsstaats beiliegen, in dem die Maschine in Verkehr gebracht und/oder in Betrieb genommen wird.
.

Die der Maschine beiliegende Betriebsanleitung muss eine „Originalbetriebsanleitung“ oder eine „Übersetzung der Originalbetriebsanleitung“ sein; im letzteren Fall ist der Übersetzung die Originalbetriebsanleitung beizufügen. …

Definition „Betriebsmittel“

Gemäß Link zu Originaldokument im PDF EMV-Richtlinie Artikel 3 Absatz 1 Nummer 1 bezeichnet der Ausdruck:

„Betriebsmittel“: ein Gerät oder eine ortsfeste Anlage;

Dieser Unterscheidung liegt zu Grunde, dass für Geräte und ortsfeste Anlagen unterschiedliche Verfahren vorgeschrieben sind, die sicherstellen, dass die grundlegenden Anforderungen der EMV-Richtlinie erfüllt worden sind.

Definition „Gerät“

Gemäß Link zu Originaldokument im PDF EMV-Richtlinie Artikel 2 Absatz (1) Buchstabe b bezeichnet der Ausdruck:

„Gerät“: ein fertiger Apparat oder eine als Funktionseinheit auf dem Markt bereitgestellte Kombination solcher Apparate, der bzw. die für Endnutzer bestimmt ist und elektromagnetische Störungen verursachen kann oder dessen bzw. deren Betrieb durch elektromagnetische Störungen beeinträchtigt werden kann;

Als Geräte in diesem Sinne gelten auch folgende Definitionen gemäß Link zu Originaldokument im PDF EMV-Richtlinie Artikel 3 Absatz (2):

1. „Bauteile“ oder „Baugruppen“, die dazu bestimmt sind, vom Endnutzer in ein Gerät eingebaut zu werden, und die elektromagnetische Störungen verursachen können oder deren Betrieb durch elektromagnetische Störungen beeinträchtigt werden kann;
2. „bewegliche Anlagen“, d. h. eine Kombination von Geräten und gegebenenfalls weiteren Einrichtungen, die beweglich und für den Betrieb an verschiedenen Orten bestimmt ist.

Hinweise:

  • Geräte im Sinne der EMV-Richtlinie können auch in den Anwendungsbereich der Maschinenrichtlinie fallen.

Definition „Ortsfeste Anlage“

Gemäß Link zu Originaldokument im PDF EMV-Richtlinie Artikel 3 Absatz 1 Nummer 3 bezeichnet der Ausdruck:

„ortsfeste Anlage“: eine besondere Kombination von Geräten unterschiedlicher Art und gegebenenfalls weiteren Einrichtungen, die miteinander verbunden oder installiert werden und dazu bestimmt sind, auf Dauer an einem vorbestimmten Ort betrieben zu werden;

Hinweis:

Bei „bewegliche Anlagen“ handelt es sich um Geräte im Sinne der EMV-Richtlinie.

Anwendungsbereich Maschinenrichtlinie

Die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG regelt in Link zu Originaldokument im PDF Artikel 1 (1) welche Produkte in ihren Anwendungsbereich fallen:

Anwendungsbereich
(1) Diese Richtlinie gilt für die folgenden Erzeugnisse:

a) Maschinen;
b) auswechselbare Ausrüstungen;
c) Sicherheitsbauteile;
d) Lastaufnahmemittel;
e) Ketten, Seile und Gurte;
f) abnehmbare Gelenkwellen;
g) unvollständige Maschinen.

Hinweise:

  • Konformitätsbewertungsverfahren für Erzeugnisse nach Buchstabe a bis f: Link zu Originaldokument im PDF Artikel 12
  • Verfahren für Erzeugnisse nach Buchstabe g (unvollständige Maschinen): Link zu Originaldokument im PDF Artikel 13

Fallen Sicherheitsbauteile in den Anwendungsbereich der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG?

Ja. Der Anwendungsbereich der Maschinenrichtlinie (Link zu Originaldokument im PDF Art. 1) nennt unter anderem auch Sicherheitsbauteile als zutreffend.

Vorsicht! Entsprechend Link zu Originaldokument im PDF Artikel 1 (2a) sind von der Maschinenrichtlinie u. a. ausgenommen:

„Sicherheitsbauteile, die als Ersatzteile zur Ersetzung identischer Bauteile bestimmt sind und die vom Hersteller der Ursprungsmaschine geliefert werden.“

Muss ein Hersteller einer „unvollständigen Maschine“ eine Betriebsanleitung mitliefern?

Antwort:

Nein. Die Lieferung einer Betriebsanleitung entsprechend Anhang I, 1.7.4 ist nicht gefordert.

Link zu Originaldokument im PDF Artikel 13 der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG verpflichtet ihn jedoch zur Mitlieferung:

Anmerkungen:

In der Montageanleitung müssen die entsprechenden Angaben, wie Schnittstellen, Montage und Demontage geregelt werden. Je anspruchsvoller eine unvollständige Maschine ist, z.B. Roboter, muss äquivalent natürlich auch die Montageanleitung den erweiterten Erfordernissen Rechnung tragen.

Die in der Montageanleitung erforderlichen Inhalte ergeben sich aus der Risikobeurteilung, die alle Gefährdungssituationen berücksichtigt.